Ein Volk – Ein Schicksal

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Der Tag der Einheit ist ein besonderer Feiertag, voller Toleranz, Wärme, Freundschaft und Liebe. Wir haben erfahren, wie er in den internationalen Familien der Deutschen in der westlichen Region Kasachstans gefeiert wurde.

Die westliche Region unseres multinationalen Landes hat Besucher aus Deutschland schon immer durch ihren eigenen Charakter überrascht. Gerade hier haben sich die Deutschen mit den Vertretern anderer Volksgruppen verschwägert und gerade hier ist die Einheit und Freundschaft der Völker so stark, wie an keinem anderen Ort.

Ebenso ist der erste Mai der älteren Generation als Tag des Frühlings und der Arbeit in Erinnerung. Für die Jugend ist der 1. Mai der Tag der Einheit und der Freundschaft. Und sowohl die einen, als auch die anderen freuen sich, diesen Tag zu feiern.

Eine freundschaftliche Familie

In Aktau wird der 1. Mai üblicherweise am Meer gefeiert: die Bewohner strömen ans Ufer, beobachten die Schiffe und die wunderschöne Parade der Völker. In diesem Jahr war aber alles anders. Die übliche Ordnung wurde durch die Coronavirus-Epidemie gestört. Trotzdem lassen sich die Bürger ihre gute Laune nicht nehmen, sondern passen sich der Situation an: die Kommunikation findet über das Internet statt, und wenn es sich ergibt, dann wird bescheiden und familiär gefeiert.

– Wir haben beschlossen, diesen Tag im Kreise der Familie zu verbringen, wir konnten ihn keinesfalls ausfallen lassen, – sagt Luisa Eskerhanowa, Koordinatorin der Sprachprojekte der Gesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ Aktau.

Die Eskerhanows sind eine internationale Familie. Tschetschenen, Tataren, Darginen, Deutsche, Russen – wen gibt es nicht alles in diesem großen und freundschaftlichen Glied der Gesellschaft. Zu den Feiertagen kocht die Großmutter Frieda Eskerhanowa (Robertus) deutsche Speisen. Diese Kunst hat sie auch ihren Söhnen beigebracht. Und zum 1. Mai-Feiertag gab es auf dem Dastarchan der Eskerhanows deutsche Schweinehaxen mit Kartoffeln und gedünstetem Kohl, frische Chinkali und viele andere Köstlichkeiten aus der multinationalen Küche.

 – Mein Mann Timur ist zur Hälfte Tschetschene, liebt aber die deutschen Bräuche. Seine Mutter Frieda Genrichowna hat ihm die Geschichte und die Traditionen ihres Volkes mitgegeben. Und auch sein Charakter ist deutsch: er hat Pünktlichkeit, Praxissinn und Fleiß im Blut. Der Tag der Einheit ist für jede Familie, die in Kasachstan lebt, ein warmer, seelischer Feiertag. Und wir müssen uns alle daran erinnern, dass wir nur gemeinsam alle Widrigkeiten überwinden können, – bemerkt Luisa.

Die deutsche Seele

Genau so wird Marsija Dilman oft genannt. Die ständige Teilnehmerin an den verschiedenen Projekten der deutschen Gesellschaft „Wiedergeburt“ Aktöbe unterteilt die Menschen nicht nach Nationen, sie ist der Meinung, dass in Kasachstan ein einziges Volk lebt.

– Ich bin in Martuk aufgewachsen. Unter dreißig Mitschülern waren drei Kasachen, eine Tatarin, ein paar Russen, alle anderen waren Deutsche. Und auch die Nachbarn waren im wesentlichen Deutsche, deshalb sage ich über mich selbst, dass mich außer der kasachischen Kultur auch die deutsche erzogen hat. Wir sind aufgewachsen, ohne auf die nationale Zugehörigkeit der Dorfmitbewohner zu achten, und alle warteten ungeduldig auf Kurban Ait, Weihnachten, Ostern, – erzählt Marsija Sergaliewna.

Ihren zukünftigen Ehemann Aleksandr Dilman lernte Marsija in Emba kennen, wo sie als Leiterin einer hydrometeorologischen Station arbeitete.

– Im Jahr 2005 wurd edie älteste Enkelin Melita geboren, und ich habe aufgehört, zu arbeiten, ich habe mich um ihre Erziehung gekümmert. Meine Schwiegermutter Paulina Ljudwigowna hat ihre Enkelkinder ebenso großgezogen: Sie hat ihren Kindern alles mitgegeben, was das Oberhaupt einer deutschen Familie kennen und wissen muss. Sie hat wunderschön gestickt, gut gekocht, aber vorallem wollte sie, dass ihre hauseigenen Lebkuchen zu einer Tradition ihrer Familie werden würden – und das hat geklappt. Die Verwandten ihres Mannes haben sie nach Deutschland mitgenommen. Am Tag der Einheit haben wir uns als große Familie bei den Eltern getroffen, momentan ist alles bescheidener, das Festmahl und die Erinnerungen, – stellt Marsija Dilman klar.

Die Enkelkinder unserer Heldin kennen die kasachischen, russischen und deutschen Traditionen. Die haben sie in der Gesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ gelernt. Die älteste Enkelin Melita spricht fließend Kasachisch und versteht auch Englisch und Deutsch ganz gut.

– Irgendwann haben mein Mann und ich uns dazu entschieden, nach kasachischen Regeln zu leben – so wäre es einfacher und verlässlicher, aber unsere Kultur ist viel mehr die deutsche. Unter den Ehefrauen meiner sechs Brüder sind zwei Kasachinnen, eine Tatarin, eine Usbekin und zwei Mestizen. Mein Vater, der wusste, dass in einer Familie alles von den Frauen abhängt, gab den Schwiegertöchtern mit auf den Weg, in Freundschaft zu leben – und so leben wir in Freundschaft.

Frank und sein Team

Gennadij Frank – das ist Stabilität, Verantwortung, Pünktlichkeit. Und seit letztem Jahr ist der Unternehmer aus Uralsk auch noch Leiter der örtlichen deutschen Gesellschaft „Heimat“. Seine Frau Zhanara hilft ihm bei allem. Zhanara Frank – das ist Ruhe, Weisheit, Besonnenheit. Genau das hat Gennadij gesucht.

– Wir haben uns 1998 kennengelernt. Ich war mit ihrem Bruder befreundet. Es war Liebe auf den ersten Blick. Stellen Sie sich diesen durchdringenden Blick einer orientalischen Schönheit vor. Ich war verzaubert und fasziniert. Als wir entschieden, den Bund der Ehe zu schließen, da gab es eine gewisse Wachsamkeit seitens der Verwandten – schließlich bin ich Deutscher, und sie Kasachin… aber das verging schnell, jetzt haben wir eine großartige Beziehung zu unseren Verwandten, – erzählt Gennadij.

Inzwischen haben die Franks vier Kinder: die Älteste, Albina, ist 18 Jahre alt, die Jüngste, Amalia ist erst drei. Die Rollen sind in der Familie klar verteilt, aber es gibt eine unerschütterliche Regel – alle helfen sich gegenseitig jederzeit und bei allem. In der Küche, bei der Arbeit, beim Lernen – ob es ein Ratschlag oder eine physische oder finanzielle „helfende Hand“ ist.

– Wir lernen alle zusammen sowohl Deutsch als auch Kasachisch. Das ist notwendig und wichtig für einen modernen Menschen. Wir haben ein multinationalen Staat, deshalb ist der Tag der Einheit nicht nur ein Datum im Kalender – es ist jener Feiertag, der nicht zur Schau gestellt wird. Ich blicke zuversichtlich und ruhig in die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder, die in Perfektion mehrere Sprachen beherrschen werden, die die Kulturen und Traditionen vieler Völker der Erde kennen werden, – betont der Leiter von „Heimat“.

Freundin der Völker

Beim ersten Kennenlernen fragen Jekaterina Tschertichina praktisch alle, welche Nationalität sie besitzt. Die Neugier der Menschen kann man so verstehen: asiatische Wesenszüge ergeben zusammen mit europäischen „Noten“ eine erstaunliche Kombination. „Miss Atyrau-2011“ Jekaterina Tschertichina kann diese Frage noch immer nicht eindeutig beantworten. Sie sagt, nachdem sie eine Sekunde darüber nachgedacht hat, mit einem Lächeln:

– Ich bin eine Freundin der Völker!

Im Alter von fünf Jahren kam die Großmutter unserer Heldin aus Georgien nach Kasachstan. Sie wurde erwachsen, heiratete und bekam Kinder.

– Ihr Name war schwer auszusprechen, deshalb wurde die Großmutter ganz einfach Katja genannt. Und so wurde ich ihr zu Ehren auch so genannt, – erzählt Jekaterina.

Die Mutter von Jekaterina ist Koreanerin, der Vater ist zur Hälfte Deutscher, ihre deutschen Wurzeln schätzt meine Gesprächspartnerin sehr.

– Die Großmutter habe ich wahnsinnig geliebt. Ihren starken Charakter und ihre emotionale Selbstbeherrschung hat sie auch auf mich übertragen. Sie hat viel gebacken, sie hat uns mit Krebli, Kuchen und leckerem gekochtem Zucker verwöhnt. Und was für Marmeladen und Konfitüren sie hatte – das ist einfach unbeschreiblich, – sagt Katja geheimnisvoll.

Heute arbeitet die Lehrerin für Englisch und Deutsch freiberuflich: sie leitet eine Modelagentur.

– Der Tag der Einheit ist ein besonderer Feiertag. Obwohl für mich mit meinem Mann und meinem Sohn jeder Tag ein Feiertag ist. Ich liebe es, sie mit den Gerichten verschiedener Küchen zu verwöhnen. Die Familie schätzt meine kulinarische Leidenschaft und versucht, mir mitzuhelfen, – fasst Jekaterina Tschertichina zusammen.

Vorbereitet von Dmitrij Schinarenko

Übersetzung: Philipp Dippl

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