Erinnern an die Trudarmisten

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Die Mitwirkenden des deutschen Begegnungszentrums gratulierten Berta Baskal

Die Lebensbedingungen der gewaltsam deportierten Wolgadeutschen in den Kriegsjahren waren furchtbar: Kinder und Jugendliche sammelten zarte Ährchen auf den Feldern ein oder lasen faules Gemüse und Kartoffelschalen auf.

Erwachsene, die arbeiten konnten, wurden zur Zwangsarbeit geschickt. Dort lebten die sogenannten „Trudarmisten“ Tag und Nacht wie Gefangene hinter Stacheldraht und unter Bewachung. Sie hausten oftmals in kalten Erdhütten und Unterständen, wurden kostenlos zur täglichen Arbeit zum Baumfällen oder auf Baustellen geschickt und ernährten sich irgendwie. Verständlicherweise konnten viele den unmenschlichen Bedingungen nicht standhalten und starben.

– Die steif gefrorenen Leichen wurden abtransportiert und noch in der gleichen Kleidung verscharrt, die sie bedeckte, – erinnert sich Berta Genrichowna Baskal, Bewohnerin des Dorfes Zhelezinka im Gebiet Pawlodar, mit Schmerzen in der Seele. – Meine Arbeit bestand daraus, Gräben auszuheben. An meine tägliche Norm werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern: 5 Meter Länge, 8 Meter Breite, 2,20 Meter Tiefe. Es war sehr beschwerlich und mühsam.

Von Dezember 1942 bis Juni 1948 hämmerte das schmächtige Mädchen von kleiner Größe, ob Schnee oder Regen, ob Hitze oder Kälte, mit Brechstange und Spitzhacke auf den steifen Boden. Dem Tode geweiht grub sie mit der Schaufel den Graben unter den Rohrleitungen, gleichsam einem starken, gesunden Mann.

Die Schriftstellerin Nina Emiljewna Waschkau, Mitglied des Internationalen Verbandes der Forscher der Kultur und Geschichte der Russlanddeutschen, merkt in einem ihrer Bücher an: „Die umgesiedelten Deutschen wurden zu einer kostenlosen Arbeitskraft, um das weitläufige Netzwerk des GULAG in Sibirien und im Ural zu vervollständigen“.

– Ich bin nicht glücklich, – sagt Berta Baskal. – Mich hat ein Mann betrogen, ich habe von ihm eine Tochter geboren. Später, in den 50ern, konnte ich eine Familie gründen: Ich heiratete, und ich bekam eine zweite Tochter. Nach der Arbeitsarmee hat mir aufgrund von nationalen Kriterien keiner mehr eine Arbeit gegeben. Ein guter Mensch hat mir geholfen, eine Arbeitsstelle als Putzfrau im Bezirksrat zu bekommen. Ich habe mich bemüht und wurde respektiert…

Trotz der Bürde des Lebens hinter Stacheldraht, des Schmerzes, der Entbehrungen, der fürchterlichen Anstrengungen, der sprachlichen Schwierigkeiten und der schwierigen Nachkriegsjahre ist Berta Genichowna nicht daran kaputtgegangen. Sie hat ihr Leben würdevoll und tapfer gelebt, sie hat ehrlich gearbeitet, Kinder und Enkelkinder großgezogen.

Am 11. Mai wurde sie 94 Jahre alt. Es kamen nicht nur Verwandte, um Berta Baskal zum Geburtstag zu gratulieren, sondern auch Mitwirkende des deutschen Begegnungszentrums in Zhelezinka.

– Das Erinnern an die Trudarmisten ist eine der Pflichten der gegenwärtigen Generation, – meint Lidija Ottowna Kamkowa, die Leiterin der Zweigstelle des deutschen Begegnungszentrums des Dorfes Zhelesinka im Gebiet Pawlodar. – Die Jugend muss die Geschichte kennen, sich der Komplexität des Phänomens der nationalen Unterdrückung bewusst sein und natürlich ihre eigenen moralischen Standards erweitern.

Marina Angaldt

Übersetzung: Philipp Dippl

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