„Wir werden die nicht vergessen, die uns aufgenommen haben“

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 Am Tag der Dankbarkeit haben junge Sprecher der deutschen Theaterwerkstatt „Denk´ mal“ Gedichte über die schwere Zeit der Deportation vorgetragen.

Repressionen, Deportation, Verfolgung. Durch diese Wörter weht der Hauch von Kälte und Schrecken. Vor vielen Jahren litten dutzende Ethnien unter dem Regime. Heute gedenken ihre Nachkommen mit Dankbarkeit denen, die in ihren Häusern Deutsche, Tataren, Polen oder Koreaner aufgenommen haben.

In der Aula der Schule Nr. 11 Aktöbe ist es still. Etwas später kommen die Jungs und Mädels aus der Theaterwerkstatt „Denk´ mal“ an, sie beginnen langsam, sich dem Leben einer welterfahrenen Frau anzunähern. Es bleibt Zeit, über das nachzudenken, was vor vielen Jahren geschah. Mir hilft dabei Gerold Berger. Auf dem Tisch liegen seine Arbeiten: Übersetzungen, Bücher. Bücher über ihn. Er ging, aber sein Erbe blieb. Ein großer Mensch!

– Er ist wahrhaft groß, – rezitierte gleichsam die Leiterin der Werkstatt Inna Woloschina meine Gedanken. – Er hat sehr viel für das kasachische und das deutsche Volk getan. Er hat sich niemals über sein Schicksal beklagt, er hat es einfach angenommen und gemacht.

Gerold Karlowitsch wird hier geliebt, wenn es die Zeit ergibt, aber ihn zu lesen ist schwer. Und heute, als der Zuschauerraum voll besetzt war, haben sie auf der Bühne über sein Schicksal berichtet, seinen Stellenwert in der Geschichte Kasachstans und Deutschlands.

Und danach gab es Gedichte. Scharfe Zeilen aus dem Werk der Journalistin und Poetin Bella Iordan, die viele Jahre lang in Kasachstan lebte:

„Wir erinnern uns nicht an unsere Urgroßväter,

Wir haben sie rundweg vergessen,

und in den armseligen Biografien

werden unsere Urgroßväter nicht geführt…“

Die Wörter sind scharf und hart, so wie eine Orfeige der Törichten, der Vergessenen, derer, an die sich keiner mehr erinnert.

 In der Aula der Schule Nr. 11 lag Stille. Vor einer Stunde war ich hier alleine, jetzt waren dutzende Menschen hier mit mir. Alle durchlebten wir die gleichen Gefühle, und jeder hatte Tränen in den Augen.

– Das ist leider die Wahrheit unseres Lebens, – gestand später eine gekommenen Großmütter. – Wir vergessen, denen zu danken, dank derer wir jetzt leben. Die Gedichte berührten die Tiefe der Seele.

In der Aula ist wieder stille… Es ist Zeit, darüber nachzudenken, wer wir sind und was von uns übrigbleibt.

Dmitrij Schinkarenko

Übersetzung: Philipp Dippl

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